Das „Pfützenarchiv“ von Mirja Busch ist sowohl eine Objekt-Installation (die sich über die komplette Galerie ausdehnt) als auch eine wissenschaftsähnliche Randphänomen-Untersuchung.
Sie besteht aus zwei Teilen:
A,
aus ca. 100 ausgewählten fotografischen Bildern aus einer Ansammlung von derzeit 2.186 Archivfotos. Jedes Foto dokumentiert eine Pfütze und wurde mit einem Code archiviert. Für die Dokumentation machte die Künstlerin Aufnahmen in 16 Städten (z.B. in Kopenhagen, Hamburg, Berlin, Kassel, München, Wien, Brüssel, Paris, Barcelona, London, New York City, Boston, Los Angeles, Santiago de Chile, Cordoba (RA) und Buenos Aires). In der Ausstellung ist somit nur ein Bruchteil der angefertigten Fotos zu sehen.
B,
aus einer Rauminstallation, bestehend aus 199 Flaschen mit Pfützenwasser und 7,5 m Regal mit je 4 Ebenen.
Das Wasser, das in den Flaschen zu sehen ist, wurde jeweils komplett aus den entsprechenden Pfützen aufgesogen. Interessant für die Künstlerin waren Fragen wie: Was für ein Volumen hat eine Pfütze und welche Farbigkeit? Kann das temporäre Phänomen Pfütze haltbar gemacht und archiviert werden? Können Pfützen überhaupt altern?
Insofern kreist diese Arbeit um Aspekte von Zeitlichkeit und auch um die Nutzung von Stadtraum. Das Pfützenwasser enthält aufgelöstes Material des Ortes der Pfütze. Auf dem Etikett der Flasche werden jeweils Datum, Liegezeit der Pfütze zum Zeitpunkt des Aufsaugens und grob der Ort in der Stadt angegeben, z.B. Spielplatz, Parkhaus, Verkehrsinsel, Friedhof usw.
Pfützen sammeln sich dort, wo Oberflächen aufgebrochen wurden. Deshalb ergänzen diverse Stapel von Asphalt- und Beton-Stücken die Rauminstallation.
Mit ihrem “Pfützenarchiv” stößt Mirja Busch ein Nachdenken über Oberflächen an (ggf. auch über Oberflächlichkeiten in der Politik). Pfützen spiegeln natürliche Vorgänge und menschliches Eingriffsverhalten gleichermaßen wieder. Die Künstlerin studiert Formen und Aussehen. Städtische Materialität wird in Form und Farbe analysiert. Sie ermittelt im Bereich des vielfach Übersehenen. Aufheben, Festhalten, Anhäufen, Sortieren, Stapeln sind die bevorzugten Tätigkeiten der Künstlerin als Forscherin.
C,
Zusätzlich zum „Pfützenarchiv“ (und nicht mit ihm in direkter Verbindung stehend) ist im Keller der Galerie die Videoarbeit „Missing the Spiral Jetty“, 2014, 12:45 Min von Mirja Busch zu sehen, die sich auf eines ihrer Land Art Projekte bezieht. Zu sehen ist die umliegende Landschaft der berühmten „Spiral Jetty“ von Robert Smithson, welche die Künstlerin mit einer Kamera in der Hand abläuft und dabei die Perspektive des Künstlers bei der Erarbeitung seines Land Art Projekts einnimmt.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme konnte Mirja Busch nicht sehen, was Smithson damals gesehen hat. Ihre Korrektur aus heutiger Sicht und in Bezug auf den aktuellen Wasserstand des Great Salt Lakes lautet daher: “North – no mud, no salt crystals, no rocks, just water. North by East – no mud, no salt crystals, no rocks, just water. Northeast by North – no mud, no salt crystals, no rocks, just water usw.”
Der skulpturale Gedanke (sicherlich auch der des ins Soziale „erweiterten Kunstbegriffs“ von Joseph Beuys) begleitet ihr innovatives Tätigsein. Man ist fasziniert von einer derartigen Neugier der Künstlerin, von der Klarheit ihrer Gedanken, ihrer Energie, ihrer Art, das Leben zu hinterfragen. Eine gewisse Rauheit und Radikalität ihres künstlerischen Ansatzes ist dabei nicht zu übersehen.